Warum ich nicht den originalen E5 bzw. die klassische Oberstdorf-Meran-Variante gehen wollte

Die originale E5-Route Oberstdorf-Meran ist schön, gut ausgetreten und bietet eine gewisse Planungssicherheit. Sie hat aber auch einen großen Nachteil: Die Idee der Alpenüberquerung ist inzwischen geradezu zu einer Massenbewegung geworden und der E5 wurde in den letzen Sommern gnadenlos überrannt.

Das zeitliche Fenster, in dem die Tour realisierbar ist, ist witterungsbedingt auf eine relativ kurze Phase beschränkt. Je nach Wetterlage kann man die Tour zwischen Mitte Juni und Ende September angehen und in dieser Zeit ballt sich eine jedes Jahr größer werdende Masse von Alpenüberquerern auf dem Weg und vor allen Dingen in den Hütten, die als Etappenziele in Frage kommen. Während meiner Tour sind mir zum Teil Wanderer begegnet, die aufgrund von gnadenloser Überfüllung noch am frühen Abend die Zielhütte wieder verlassen haben, um bis in die Dunkelheit ein Ausweichquartier anzusteuern. Die Martin-Busch-Hütte hatte Anfang Juli sogar Großzelte vor der Hütte errichtet, in denen die überschüssigen Ankömmlinge notdürftig untergebracht wurden. Gäste schliefen auf dem Boden der Waschräume und angeblich sogar in der Küche, weil kein Platz mehr war und obwohl eigentlich kein Wanderer, zumindest nicht die mit Alpenvereinsausweis, abgewiesen werden durfte, wurde den letzten Einkehrern nahe gelegt, weiter zu ziehen. Dass in dieser Massenabfertigung wenig Hüttenstimmung und vielmehr jede Menge Stress aufkommen musste, war abzusehen. Der Vergleich mit einem „Viehtrieb“ wurde mehrmals gezogen. Neben vielen privat organisierten Wanderern waren vor allem Unmengen von Alpinschulen mit teilweise grenzwertig großen Gruppen dort unterwegs, die verständlicherweise schon aufgrund Ihrer regelmäßigen „Lieferung“ von Gästen die bevorzugten Schlafplätze reserviert bekommen hatten.

Abseits der Hauptwege hat man die Berge für sich allein

Bereits die Berichte, die ich bei meinen Vorbereitungen zu meiner E5-Tour von Oberstdorf nach Meran gelesen hatte, reichten mir aus, eine eigene alternative Variante der Querung zu planen und immer wieder während der Tour wurde ich darin bestätigt, dass sich die Mühe gelohnt hatte. Ich wollte keinen menschlichen Almabtrieb erleben, sondern die Natur und das Alpenpanorama genießen! Abgesehen davon wollte ich mich nicht lange im Voraus durch frühe Buchungen der Übernachtungen auf ein bestimmtes Zeitfenster festlegen, besonders, weil der Juni im Jahr 2016 eher von schlechtem, kaltem Wetter geprägt war. Was bringt mir ein sicher gebuchter Platz in einer der großen Hütten, wenn ich aufgrund des Wetters nicht dorthin komme oder nur durch Regen laufe?

Mein Plan sah folgendermaßen aus: Langfristig eine Route mit möglichst vielen alternativen Wegen planen und dann kurzfristig bei guter Wetterlage losziehen, den Massen, wo möglich, aus dem Weg gehen und dort, wo es nicht möglich war, auf ein bisschen Glück hoffen. Dafür war ich sogar bereit, notfalls auch bis zum nächsten Jahr zu warten, falls sich die günstigen Bedingungen nicht zum richtigen Zeitpunkt einstellen würden. Wer zu Fuß über die Alpen will, sollte sich, wenn irgendwie machbar, nach dem Wetter richten und nicht nach seinem Terminplan.

Am 1. Juli schlug dann auf einmal das Wetter um und es bahnte sich eine günstige Großwetterlage in den Alpen an, die auf eine Woche schönes Wetters hoffen ließ. Meiner Frau und den Kindern hatte ich schon im Vorfeld angedeutet, dass es spontan los gehen kann und so buchte ich am gleichen Tag ein Bahnticket nach Oberstdorf und eine Übernachtung in einem Hotel im Ort. Schnell sortierte ich noch einmal meine komplett vorbereitete Ausrüstung und stellte mich auf mein Abenteuer Oberstdorf-Meran ein. Am nächsten Morgen ging es dann von Neuss mit der Bahn ins Allgäu, wo ich bei letztem starken Regen am Abend mein Zimmer bezog und müde von der langen Fahrt schnell ins Reich der Wanderträume entglitt.

E5 auf Abwegen, Tag 1: Oberstdorf – Spielmannsau – Kemptner Hütte – Bernhardseck